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Am späten Nachmittag besuchten wir den Komplex von Qutab Minar oder auch Qutub Minar, der sich ca. 13 km südlich von Connaught Place befindet. Der Turm wird als vollkommenster Turm der Welt bezeichnet und wir wollten ihn unbedingt noch sehen, weil wir im Bildband "India then and now" ein fantastisches historisches Foto davon gefunden hatten. Leider hatte sich der Himmel am Nachmittag schon ziemlich zugezogen und präsentierte einen milchigen Hintergrund. Mit blauem Himmel wirkt der Turm sicherlich noch eindrucksvoller, beim nächsten Delhi Besuch werden wir mal am Vormittag hinfahren.
An diesem Nachmittag, es war ein Samstag, war eine Menge los auf dem Gelände. Zahlreiche Schulen und indische Reisegruppen schauten sich den Turm und die Ruinen der frühesten Hofmoschee in Indien, Quwwat-ul-Islam (Macht des Islam) genannt, an. Die paar Touristen verloren sich in den Menschenmassen. Trotzdem war der Besuch des Qutab Minar-Komplex ein sehr eindrückliches Erlebnis und man sollte ihn sich unbedingt ansehen.
Alle Bauten auf dem Gelände stammen aus der Anfangszeit der moslemischen Herrschaft über Indien. Erbaut wurden sie auf den Trümmern von Lal Kot, einer im 8. Jahrhundert gegründeten und im 12. Jahrhundert erweiterten Festung.
Der Qutab Minar selbst ist eine erhabene, riesige Siegessäule. Mit dem Bau wurde sofort nach Unterwerfung des letzten Hindu-Königreiches von Delhi im Jahr 1193 begonnen. Andere Quellen besagen auch, er wäre als ein riesiges Minarett erbaut worden, um die Gläubigen in die benachbarte Quwwat-ul-Islam Moschee zu rufen. Selbst bei dem Namen streiten sich Gelehrten, nach wem der Turm benannt wurde: nach dem ersten türkischen Sultan Qutb-ud-din Aibak oder nach einem heiligen Mann aus Bagdad namens Khwaja Qutb-ud-din Bakhtiar Kaki, der in Indien unter Akbar gelebt hat.
Der reich verzierte Turm ragt 72,5 Meter Meter empor. Er verjüngt sich von 14,3 Metern Durchmesser am unteren Ende auf nur 2,7 Meter an seiner Spitze. Mittlerweile steht er auch etwas schief, hat aber all die Jahrhunderte gut überstanden. Früher konnte man über enge Stufen hoch hinaus bis in die Spitze klettern. Leider gab es einen schlimmen Unfall, als Schulkinder in dem dunklen Aufgang "Geist" spielten und so eine Panik unter den anderen auslösten, die sich gerade auf der Treppe befanden. Es gab mehrere Tote und seitdem bleibt der Turm für die Öffentlichkeit gesperrt.
Die fünf Stockwerke des Turms sind klar erkennbar durch vorspringende Balkone. Die drei ursprünglichen Stockwerke wurden verschieden angelegt. Das unterste mit abwechselnd eckigen und runden Stäben, das zweite nur mit runden, das dritte nur mit eckigen. Den Stein verzieren Schriftbänder mit Koranversen. Der vierte und fünfte Stock besteht aus Marmor und Sandstein. Der Bauherr Qutub-ud-Din begann mit dem Bau, erlebte aber nur die Erstellung des ersten Stockwerkes, erst seine Nachfolger vollendeten den Turm. Im Jahr 1368 erneuerte Feroz Shah Tughlaq die obersten Etagen und fügte das Kuppeldach hinzu. Ein Erdbeben ließ 1803 die Kuppel herabstürzen, sie wurde aber 1829 wieder ersetzt. Der Turm ist heute, zusammen mit den umliegenden Gebäuden, in der UNESCO World Heritage Site aufgenommen.
Ausser dem Turm gibt es auf dem Gelände noch andere interessante Dinge zu erkunden. Interessant ist der Stumpf aus Ziegeln, der gegenüber vom Qutab Minar auf einer Rasenfläche steht. Juna Khan begann den Bau des Alai Minar, nach seinen ehrgeizigen Plänen sollten der zweite Turm zweimal höher werden als der Qutab Minar. Aber nach der Fertigstellung des ersten Stockwerks, nach 24,5 Metern Höhe, starb der Auftraggeber und das Projekt wurde nicht weiter verfolgt. Die Reste sind heute noch zu sehen.
Die Quwwat-ul-Islam Moschee wurde von Qutb-ud-din Aybak erbaut, dem ersten Sultan von Delhi. Der Bau begann im Jahr 1190 und man sagt, zu ihrem Bau wurden Teile von zerstörten Hindu- und Jaintempeln verwendet. Heute ist die Moschee leider nur noch eine Ruine, aber man sieht noch stehende Bögen mit reichen Verzierungen, wie wir sie auch am Jain-Tempel von Ranakpur gesehen haben. Es gibt zahlreiche florale Ornamente und geometrische Reliefs. An der Westseite befindet sich ein kleines Mausoleum.
In den Löchern und Ritzen der Ruine haben sich Halsbandsittiche niedergelassen und ihr heiseres Krächzen macht auf die Nester im alten Gemäuer aufmerksam. Auf dem Gelände springen auch die munteren Streifemhörnchen herum und wir entdeckten in den Ritzen einer Mauer sogar einen dicken Gekko. Allgegenwärtig sind auch hier die Tauben.
Neben dem Qutab Minar gibt es ein weiteres Weltwunder auf dem Gelände zu bestaunen, wenn es auch bei weitem nicht so auffällig ist. Es handelt sich um den Iron Pillar, eine 2.000 Jahre alte Eisensäule aus purem, angeblich nicht rostendem Eisen. Die Säule hat eine Länge von 7,3 Meter, wovon sich ein Meter unter der Erde befindet, und wiegt mehr als 6 Tonnen. Bis um 1900 galt sie als größtes und schwerstes Schmiedestück auf der ganzen Welt. Auf der Spitze der Säule befindet sich ein Garuda-Vogel. Der Pfosten trägt eine Inschrift, die besagt, daß die Säule als Fahnenmast zu Ehren des hinduistischen Gottes Vishnu und zum Gedenken an Kaiser Candra Gupta II (375-413 n.Chr.) errichtet wurde.
99,71% der Säule bestehen aus Schmiedeeisen. Experten haben bestätigt, daß die Temperaturen, die erforderlich sind, um solch einen Pfosten herzustellen, nicht durch Verbrennung von Holzkohle erzielt werden können. So ist die Säule ein Beweis der weit entwickelten Fähigkeiten der indischen Schmiede um diese Zeit. Der hohe Entwicklungsstand der Stahlherstellung ist aber offensichtlich in den nachfolgenden Jahrhunderten wieder völlig in Vergessenheit geraten.
Archäologen und Metallspezialisten rätseln, wie das Material dem feuchtheißen Klima Indiens während der Monsunzeit trotzt und die letzten 1.600 Jahre ohne Korrosion überstanden hat. Die ungewöhnlich gute Korrosionsbeständigkeit schien an einem hohen Phosphorgehalt zu liegen. Mehr dazu findet man hier. Die 2001 durchgeführte chemische Analyse durch Sir Robert Hedfield ergab aber nur einen Phosphorgehalt von weniger als 0,114 %. Viel zu wenig um derartige Eigenschaften hervorzurufen.
Um die Säule wurde ein Zaun errichtet. Eine populäre Tradition besagte, dass es Glück bringt, wenn man mit dem Rücken an der Säule stehend die Hände dahinter verschränkt. Dem Treiben wurde durch den Zaun Einhalt geboten, um das einmalige Werk zu schützen.
Google Map zum Thema
Turm und Gelände im Abendlicht
Video zum Thema
Video vom Qutub Minar.
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