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Weit abseits von den üblichen Touristenrouten und dennoch nicht weit entfernt von der autobahnähnlichen Hauptverkehrsader N2, auf der die meisten Touristen entlangfahren, liegen zwei kleine Orte: Genadendal und Greyton. Zwei Orte, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Genadendal, das Tal der Gnade, liegt am Fluss Riviersonderend (übersetzt heißt das: Fluss ohne Ende) und ist heute die älteste Missionsstation in Südafrika.
Am am 23.April 1738 wurde die Niederlassung von mutigen Missionaren der Herrnhuter Brüdergemeinde aus Mähren gegründet, unter Führung von Georg Schmidt, der den hier in der Baviaans Kloof als Jäger und Nomaden lebenden Hessekwa-Khoi, das Christentum brachte. Die christliche Missionsarbeit umfasste unter anderem auch eine Schule, in der den Einheimischen Lesen und Schreiben beigebracht wurde. Diese Tatsachen waren den umliegenden burischen Farmern und auch der herrschenden Niederländisch-Reformierten Kirche suspekt. Schon im Jahr 1744 musste Georg Schmidt das Land verlassen, da er nach Einschätzung der Kirche kein ordinierter Priester war.
Erst knapp 50 Jahre später konnten die Moravians, so werden die mährischen Missionare in Südafrika genannt, ihre Arbeit wieder aufnehmen und den Einheimischen neben einer schulischen Grundbildung auch wichtige handwerkliche Fähigkeiten vermitteln. Gegen den Willen des damaligen Gouverneurs konnten sie durchsetzen, daß sie ihre Kirchenglocke läuten durften.
Den umliegenden Farmern, zumeist ungebildet, war die Mission ein Dorn im Auge. Schlecht behandelte Farmarbeiter flüchteten dorthin und bekamen sogar eine Ausbildung. Zeitweilig hatte Genadendal mehr Einwohner als Cape Town. Es entwickelte sich eine lokale Kleinindustrie und sogar das erste Ausbildungsinstitut für Lehrer in Südafrika wurde 1838 gegründet - heute das Museum.
1806 wurde die Mission von Baviaans Kloof in Genadendal umgetauft. Die damalige Organisation und Führung der Mission und der dazugehörigen Landwirtschafts- und Handwerksbetriebe kommen uns heute vor wie eine Mischung aus einem Kibbuz und einer christlichen LPG: effizient, selbstbestimmt und erfolgreich. Also ein primäres Ziel auf der Abschussliste der Rassisten.
Im Zuge der Gesetzgebung zum Vorteil der Weißen wurde das Potential von Genadendal nach und nach beschränkt. 1909 wurde es durch den Communal Reserve Act als Coloured eingestuft, und bekam damit die ersten bürgerlichen Rechte entzogen - zum Beispiel konnten die Einwohner keinen Grundbesitz erwerben. Öffentliche Mittel für Investitionen bekam der Ort natürlich auch nicht mehr.
1926 wurde die pädagogische Hochschule vom Erziehungsministerium wieder geschlossen, die Apartheid warf ihre Schatten voraus. "Coloured people" hatten demnach kein Anrecht auf eine höhere Bildung und wurden nur als Hilfskräfte auf den umliegenden Farmen eingesetzt. Der Niedergang des Ortes, der sich leider bis heute fortsetzt, begann. Allerdings setzten sich die Einwohner auch zur Wehr: zur Zeit der Apartheid wurde in Genadendal eine ganz offizielle und legale Partei gegründet, die gegen die Apartheit auftrat.
Ganz anders sieht es hingegen im benachbarten weißen Greyton aus, nur 15 Autominuten von Genadendal entfernt. Ein schmucker Ort mit viel Gründ, prächtigen Häusern, gepflegten Vorgärten und einigen netten Cafés und Geschäften.







Im Oktober 1995 besuchte der damalige Staatspräsident Nelson Mandela den Ort und versprach eine bessere Zukunft, auf die die Menschen in Genadendal bis heute noch warten. Fotos vom Besuch Mandelas, zusammen mit Honoratioren aus dem Ort, sind heute noch voller Stolz im kleinen Museum ausgestellt. Vor diesem Besuch, im änderte der Präsident den Namen seiner Kapstädter Residenz von ehemals Westbrooke in Genadendal - eine Würdigung des Einsatzes der Herrnhuter Mission.
Genadendal ist arm. Es gibt sogar noch eine Siedlung in der Nähe, die "Kerzendorf" genannt wird, weil es dort keinen Strom und kein elektrisches Licht gibt. Arbeit gibt es wenig in der Region, die Apfelplantagen von Grabouw oder der Ort Caledon bieten Tagelöhnern einen ohne Auto kaum zu erreichenden Saison-Arbeitsplatz. Da die meisten ihre Arbeit in Kapstadt suchen bringen sie auch Alkohol-, Drogen- und Kriminalitätsprobleme wieder mit zurück nach Hause.
In Genadendal leben knapp 6.000 Menschen, im Mittelpunkt stehen die R Schmidt Primary School mit 500 und die Emil Weder Secondary School mit 550 Schülern.
Kommt man allerdings von der N2 aus nach Genadendal, die Abfahrt ist gut ausgeschildert, dann erschrickt man erst einmal. Die Hauptstraße führt vorbei an zum Teil ziemlich ärmlichen Hütten mit Kühen und Ziegen im Vorgarten und von einer Kirche ist weit und breit nichts zu sehen.
Wir dachten schon, uns in irgendeinem Township verfahren zu haben. Aber hier ist es doch sehr ländlich und bodenständig. Rund um den Laden und den Kiosk an einer der Hauptkreuzungen, wo man abbiegen muss, stehen und sitzen eine Menge arbeitsloser Leute herum, aber die Stimmung ist ziemlich entspannt. Eine Straßenecke weiter kamen das Gotteshaus und die alten Missionshäuser in einer Senke zum Vorschein. Schlagartig ändert sich die Umgebung, hier ist alles historisch, recht gepflegt und es gibt viel Grün.
Ein fortdauerndes, komplexes Thema betrifft den Landanspruch und die Restitutionsprozesse in der Region. Familien im informellen Siedlungsgebiet Madiba Park warten seit Jahren auf Wohnbauprojekte, die im Rahmen der Landrestitution für historisch marginalisierte Gemeinden, einschließlich Genadendal, vorgesehen sind. Der Prozess ist laut aktuellen Berichten seit über einem Jahrzehnt verzögert, auch aufgrund laufender Umweltprüfungen und administrativer Hürden.
Ein kleiner Spaziergang führt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des historischen Ortskerns. Das ehemalige Zentrum für Lehrerfortbildung aus dem Jahr 1838 bildet als Genadendal Mission Museum den Mittelpunkt, hier sollte man unbedingt anfangen und sich die interessante und liebevoll gestaltete Ausstellung anschauen. Es gibt eine Menge Information zur Historie des Ortes, der Schule und den Lebensumständen damaliger Zeiten. Man sieht Möbel, die älteste Orgel und den ältesten Feuerwehrwagen des Landes, diverse Handwerksgeräte, alte Schriften und Buchpressen und alte Fotos in 15 Räumen.
Der Glockenstuhl ist das älteste Bauwerk und stammt aus dem Jahre 1794, die neue Kirche wurde 1891-1893 erbaut und die alte Brücke von 1813 war eine der ersten Brücken in ganz Südafrika. Auf dem Kirchplatz ist es sehr beschaulich, hier scheint es als wäre die Zeit stehen geblieben.







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