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VERLASSENES MONTE PALACE

Am Ankunftstag beim zweiten Aufenthalt auf der Insel São Miguel war wunderbares Wetter, daher fuhren wir sofort hinauf nach Sete Cidades. Dabei kamen wir auch am verfallenen Monte Place Hotel vorbei, das ich unbedingt besuchen wollte. Zum Fotografieren ist so ein Lost Place ja ein Eldorado.

Leider war es so voll hier oben, dass sich die Autos schon entlang der Zufahrt zum Aussichtspunkt Vista do Rei über hunderte Meter stauten und überall Leute herum liefen. Nach einem schnellen Fotostopp waren wir dann auch schnell wieder weg und kamen nach einigen Tagen noch einmal am späten Nachmittag hier vorbei. Zu dieser Zeit war es sehr viel leerer, man fand sogar noch einen Parkplatz direkt neben dem Hotel.

Das Hotel Monte Palace war einst als Vorzeigeprojekt des Tourismus auf den Azoren gedacht. Man baute zwei Luxushotels auf der Insel São Miguel: Das Monte Palace in Sete Cidades, eingebettet in die Berge, und das Bahia Palace in Água d'Alto, direkt am Strand. Beide Gebäude wurden vom Architekten Olivier Clément Cacoubd, dem offiziellen Konservator der Museen in Frankreich, entworfen. Die Architekten hatten bei der Verwirklichung zahlreiche Leitlinien. So mussten sich die Gebäude in die Umgebung einfügen und die Landschaft ergänzen, das Hotel des Monte Palace musste physisch mit dem Berg im Osten verbunden sein. Außerdem sollten neutrale Farben verwendet werden, um es in der Landschaft zu kaschieren. Die Gesamtinvestition für den Bau beider Hotels belief sich auf etwa 10 Millionen Euro. Farb- und Formgebung beim Monte Palace kann man unter diesen Voraussetzungen als ziemlich gelungen bezeichnen, da man den riesigen Baukörper in der Umgebung nur schwer erkennen kann.

Das Monte Palace eröffnete dann im Jahr 1989 in einmaliger Lage am Aussichtspunkt Vista do Rei, oberhalb der berühmten Zwillingsseen von Sete Cidades. Von hier bietet sich ein spektakulärer Blick auf die grün und blau schimmernden Kraterseen, heute kann man sogar mit etwas Mut ganz hoch auf das Dach und hat von dort aus die allerbeste Aussicht. Dieses Panorama zählt zu den bekanntesten Fotomotiven der gesamten Inselgruppe.

Das Hotel war großzügig ausgestattet: Es verfügte über 88 Zimmer, darunter mehrere Suiten, zwei Restaurants, eine Bar, Konferenzräume und weitere Annehmlichkeiten wie einen Nachtclub und Boutiquen. Als erstes Fünf-Sterne-Hotel der Azoren sollte es wohlhabende Gäste anziehen, die Ruhe, Natur und Komfort suchten und ein Symbol für den wirtschaftlichen Aufbruch der Region sein.

Doch der Traum hielt nicht lange und bereits am 26. November 1990 wurde das Hotel schon wieder geschlossen, nur 18 Monate nach seiner Eröffnung. An dem Tag, an dem der Direktor eine Auszeichnung für das "Hotel des Jahres" in Lissabon erhielt, erfuhren die Mitarbeiter von ihrer Entlassung und der Schließung innerhalb von einer Woche.

Die Gründe lagen vor allem in der abgelegenen Lage, der damals noch schlecht entwickelten touristischen Infrastruktur sowie im häufig nebligen und regnerischen Wetter, das die schöne Aussicht etwas zu oft trübte. Aufgrund der Höhenlage ist es an diesem Ort kälter und es regnet an etwa 200 Tagen im Jahr. Der Ort erwies sich schlichtweg als unpraktisch für ein Luxushotel.

Nach der Schließung stand das Gebäude lange leer. Zunächst wurde es noch bewacht, doch mit der Zeit zogen sich Sicherheitspersonal und Eigentümer aber zurück. Das verlassene Haus geriet in Vergessenheit. Die Einheimischen begannen, alles Brauchbare aus dem verlassenen Hotel zu stehlen, sogar den Aufzug, die Badewannen und die Bodenbeläge. Ein Jahr später beschloss die Regierung, das gesamte Glas der Fenster und Inneneinrichtung aus dem Hotel zu entfernen, um Menschen nicht zu gefährden, was den Verfall des Gebäudes und die Diebstahlintensität noch einmal befeuerte.

Alles wurde geplündert, beschädigt und schließlich dem Verfall überlassen. Heute sind nur noch die kahlen Betonwände, das Dach und der Boden übrig ,eine wilde Betonruine die von der Natur überwuchert wurde, mit offenen Fensterhöhlen und Graffiti an den Wänden.









Graffiti

Muff und Moder

Trotz Verfall und Schimmel zieht das Hotel heute immer noch viele Menschen an. Es hat eine Gesamtfläche von 2.396 qm und eine bebaute Fläche von 13.104 qm. Bevor man fährt, sollte man sich auf SpotAzores über die Kameras informieren, um zu wissen, ob man vom Aussichtspunkt aus etwas sehen kann.

Neugierige Besucher und Fotografen schätzen die mystische Atmosphäre dieses Lost Place, vor allem die atemberaubende Aussicht von der verlassenen Dachterrasse. Im Inneren klingt es hohl und wenn man vorbei geht, hört man die Besucher innen jauchzen und rufen. Schilder warnen vor unbefugtem Betreten, aber da hält sich niemand dran. Der Zutritt ist offiziell nicht erlaubt und kann gefährlich sein, denn es gibt offene Schächte und keine Absperrungen an einigen Treppenhäusern. Einsturzgefährdet schien uns dieser riesige Betonklotz aber nicht zu sein, die Warnschilder sind eher allgemein gehalten.

Von der Seeseite und entlang der Straße sind die alle Zugänge zugemauert, aber gegenüber vom Parkplatz mit den Food-trucks kann man ganz bequem über die Zufahrt zum Liferanteneingang bis ins Innere gehen. Die alte Gittertür in der Sperrmauer zum Innenhof hat keine Funktion mehr, vermutlich wurde sie so oft aufgebrochen, daß die Reparatur irgendwann sinnlos wurde.

Die ehemalige Lobby ist immer noch beeindruckend, der Boden steht ein paar Zentimeter unter Wasser, darin liegt Bauschut und Matsch. Aber die eigentliche Attraktion erreicht man über die Treppenhäuser, die atemberaubende Aussicht von der Dachterrasse. Hier hat man eine höhere Perspektive auf die Seen als beim Blick vom darunter liegenden Miradouro da Vista do Rei.

Im Inneren herrscht eine gespenstische Atmosphäre mit Trümmern, Graffiti und Moos an den Wänden. Besonders muffig roch es aus dem Keller mit der alten Discothek. Obwohl einige Räume noch erkennbar sind, befinden sich die meisten in einem Zustand des Rohbaus, was das unheimliche Erlebnis noch verstärkt. Die ehemaligen Suiten kann man auch begehen, hier hat man natürlich die schönste Aussicht.

Wir waren begeistert von der bizarren und zugleich faszinierenden Kulisse, und alle Leute, die hier herum liefen, hatten ein glückliches Grinsen auf dem Gesicht, trotz Dreck, Schimmel, Moss und Muff.

Fast alle Wände, Decken und Flure sind mit Graffiti überzogen, eine fast urbane Dimension in dieser Einöde. Die gesprayten Motive reichen von einfachen Namenszügen und Tags bis hin zu aufwendigen, farbenstarken Kunstwerken. In einigen der großen Säle, etwa der ehemaligen Lobby oder im Restaurantbereich, finden sich überdimensionale Wandbilder: Figuren, surreale Szenen, Sprüche oder Azoren-bezogene Darstellungen.

Besonders eindrucksvoll ist, wie sich Natur und Kunst hier im Verfall begegnen. Farbschichten blättern ab, Pflanzen wachsen durch Fensteröffnungen, und die älteren Graffitis verschwinden langsam unter Moos und Schimmel. Eine sehr lebendige und sich ständig wandelnde Ästhetik.

Der Monte Palace ist heute ein Sinnbild für einen fehlgeschlagenen Traum. Ein Ort, an dem die Natur sich langsam zurückholt, was der Mensch zu groß geplant hat.











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