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| Waldwirtschaft |
Im Harz findet ein Wettlauf mit der Zeit statt, so viel Holz wie möglich muss schnell raus aus dem Wald. Grund ist der Borkenkäfer, der sich auf Grund von Hitze und Trockenheit durch den Harz frisst. Die Wälder der Region sind im Klimastress. Schon Stürme wie Orkan Friederike im Januar 2018, fehlender Schnee im Winter, drei heiße Sommer infolge Klimawandel und die Trockenheit seit einigen Jahren haben große Schäden hinterlassen, der Borkenkäfer gibt den geschwächten Fichten-Monokultur dann oft den Rest.
Im Oberharz sieht es teilweise wirklich schlimm aus, tote Fichten soweit man schauen kann. Vor allem auf dem Weg von Clausthal-Zellerfeld in Richtung Schierke war es ganz besonders kahl. Wie nach einem Waldbrand in Kanada.
Der Wald stirbt: Fichte, Buche, Eiche, Ahorn und Esche, mittlerweile sind fast alle Baumarten von Schäden betroffen. Der Harz lebt aber von Touristen und die wollen eine intakte Natur. Was sie heute an manchen Orten sehen sind ganze Berge voll brauner Baumskelette ohne Nadeln. Allein in Wernigerode sind in der Folge von Trockenheit und Borkenkäfer-Befall tausende Bäume kahl. Bürgermeister Peter Gaffert spricht von 25 Prozent des Fichtenbestandes, der in den vergangenen Jahren abgestorben sei. In weiteren Harzregionen sieht es ähnlich aus.
In den Tourismusdörfern am Fuße des Brockens sitzen nicht wenige Einwohner auf gepackten Koffern. Sie wollen vorbereitet sein, wenn es hier mal brennt. Denn der Wald ist knochentrocken und ein kleiner Funke genügt, um ihn in Brand zu setzen. Und immer wieder entzünden Wildcamper Lagerfeuer und ein daraus entstehender Waldbrand hätte für jeden der kleinen Orte im Oberharz verheerende Folgen.
Die natürliche Vegetation mit Laub- und Mischwald hat weniger Probleme mit dem Borkenkäfer, auch mit Trockenheitsperioden kann sie eine Weile verkraften. Auch, weil deren Wurzeln tiefer in die Erde reichen: Tief- oder Pfahlwurzler oder Herzwurzler wie die Buche können länger widerstehen.
Zusätzlich schützen sich zum Beispiel Eichen mit Gerbsäure-Einlagerungen vor Fressfeinden, Nadelbäume hingegen mit Harz. Und für die Harz-Produktion brauchen diese Bäume Wasser. Wenn es dann mehrere extrem trockene Perioden hintereinander gibt, so wie in den letzten Jahren, dann bekommen Fichten schnell Probleme. Und wenn dann der Borkenkäfer kommt, trifft er oft auf große Monokulturen von leckeren Nadelbäumen, die nicht genug Wasser aus dem Boden ziehen können, um sich mit Harz zu wehren. So kommt die gerade zu beobachtende Kettenreaktion in Gang. Und dank des für ihn günstigen warmen Klimas kann sich der Schädling sogar mehrfach im Jahr vermehren und übersteht sogar den Winter.
Die Fichten bilden in den letzten Jahren auch extrem viele Pollen, das hat vermutlich mit dem Trockenstress und Wassermangel zu tun. Die Bäume merken, dass es an ihr Ende geht und stecken ihre Energie noch mal in den Nachwuchs und produzieren Pollen. Das schwächt den Baum zusätzlich und macht es für den Borkenkäfer noch leichter.
Ein großer Teil des Harzes ist kein Naturschutzgebiet, sondern dient seit Jahrhunderten der Holzwirtschaft. Sie ist neben dem Tourismus ein wesentlicher Arbeitgeber für die Menschen in der Region, aber es geht ihr mindestens genauso schlecht wie den Fichten. In guten Jahren warf die Harzer Fichte rund 90 Euro pro Kubikmeter ab, jetzt sind es durch das Überangebot zwischen 20 und 30 Euro.
Der zerstörende Fichtenborkenkäfer heißt Buchdrucker, weil sein Fressbild dem Buchdruck ähnelt. Er kann Fichtenwälder auch großflächig zum Absterben bringen.
Nach dem Ausschwärmen der Tiere bleibt in den Forstrevieren nur wenig Zeit, die befallenen Fichten zu finden, zu fällen und möglichst schnell aus dem Wald zu schaffen. Möglichst noch bevor die nächste Käfergeneration in ihnen heranwächst, dann viele weitere Bäume befällt und so zum Absterben bringt.
Der Holzpreis ist auf Grund des Angebots schon massiv eingebrochen. An den Rändern der Schotterwege türmen sich die Stämme meterhoch. Die Forstmaschinen können gar nicht so schnell schneiden, wie die Käfer ausschwärmen. Wir sahen bei Schierke einige Maschinen im Einsatz. Als Holzvollernter, Waldvollernter oder auf englisch harvester bezeichnet man spezielle Holzernte-Maschinen. Sie fixieren die Bäume, fällen sie und können die Stämme dann entasten und für den Abtransport ablegen. Das geht sehr schnell, unten sind ein paar Fotos zu sehen, die hinter dem Bahnhof in Schierke entstanden sind. In der Forstwirtschaft werden Holzvollernter vor allem für Nadelholz eingesetzt. Nach unseren Beobachtungen braucht so eine Maschine mit einem guten Fahrer etwa eine bis zwei Minuten pro Baum.
Auf den dann noch kahlen Flächen soll dann ein neuer Wald entstehen, der besser gegen Wetterextreme und auch gegen den Borkenkäfer gewappnet ist. Also mehr Mischwald und weniger Fichten.
Man hätte aber besser schon vor Jahrzehnten nach und nach schon einen Teil der geerntete Fichten durch Buchen oder Eichen ersetzen müssen. Das hat man oft versäumt, sicher auch aus aus wirtschaftlichen Gründen oder weil das nicht subventioniert wurde. Denn der privaten Forstwirt braucht ja auch ein Einkommen und kann nicht viele Jahrzehnte warten, bis Laubgehölze erntreif sind. Der Borkenkäfer ist eben auch ein Symbol für den Umgang mit dem Wald insgesamt: Will ich ihn vermarkten? Oder soll der Wald sich frei entwickeln? Wo kommt das Geld für die Pflege der Wege her?
Im angrenzenden Nationalpark Harz wird ein anderer Weg gegangen. Anders als im Wirtschaftswald der Landesforsten werden sich der Wald und der Borkenkäfer in der sogenannten Naturdynamikzone selbst überlassen. Gesunde Fichten harzen und wehren so die Käfer ab, kranke Bäume fallen ihm zum Opfer: das ist eine natürliche Auslese. So zumindest der Ansatz des Nationalparks Harz. Natürlich wird auch aufgeforstet, jährlich würden hunderttausende neue Bäume gepflanzt.
Also herrscht rund um den Brocken das Prinzip "Natur Natur sein lassen". Und da zeigt sich eben auch mal ihre zerstörerische Seite. Den natürliche Waldwandel vom ehemaligen Wirtschaftswald, bestehend aus Fichten, hin zum wilden naturbelassenen Mischwald kann man gerade in Zeitlupe erleben. In den Hochlagen ab 700 Metern ist die Fichte von Natur aus heimisch, deshalb wird sie in diesen Gebieten auch weiter die Hauptbaumart bleiben. Neben jungen Fichten wachsen im Nationalpark Harz nun aber auch Laubbäume wie Eberesche, Bergahorn oder Weide. In tieferen Lagen wachsen von Natur aus vor allem Buchen, deren Rückkehr der Nationalpark mit Pflanzungen unterstützt. Wie im Nationalpark Hainich in Thüringen, in dem wir den Baumkronenpfad besuchten.
Der Wald im Nationalpark Harz repariert sich selbst - auf lange Sicht.
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