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| Auf dem Gelände |
Es sind nur 13 Kilometer vom Kyffhäuser-Denkmal runter in die Ebene nach Tilleda. Aber die haben es in sich: zahlreiche Kurven schlängeln sich in Form der Bundesstrasse 85 durch das Kyffhäuser Gebirge in Richtung Kelbra.
Leider waren wir an einem Samstag vor Ort und zuu allem Überfluss begannen an diesem Wochenende noch in zwei Bundesländern die Sommerferien. So war hier die Hölle los, denn diese Strecke ist bei Motorradfahrern sehr beliebt. Unten gibt es sogar ein Lokal namens "Biker-Oase", das sagt ja schon alles. Auch an den wenigen Halteplätzen standen viele Motorradfahrer in Gruppen und wir behinderten durch unsere Fahrt im Auto sichtlich den Spaß am Gas geben. Die Polizei appelliert immer wieder, den Kyffhäuser nicht als Rennstrecke zu benutzen. Denn es gab hier auch schon schlimme Unfälle.
So waren wir froh, als wir heil unten in der Eben ankamen. Von Kelbra aus ist es dann nicht mehr weit nach Tilleda, das liegt im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt in der Goldenen Aue, direkt am Nordrand des Kyffhäusergebirges.
Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde Tilleda in einem Verzeichnis der Güter des Klosters Hersfeld erstmals urkundlich erwähnt. Die Entwicklung des Ortes ist eng mit der Geschichte der Königspfalz Tilleda verknüpft. Die ist heute ein Freilichtmuseum und sie war unser Ziel an diesem frühen Nachmittag. Ein großer Parkplatz mit 100 PKW- und 3 Bus-Stellplätzen liegt am westlichen Ortseingang.
Doch zuerst wollten wir uns stärken und machten eine Pause im Kirschcafé Tilleda, das direkt an der Abzweigung zum Museum liegt. Leider war die Außengastronomie für eine Gruppe reserviert, aber wir konnten mit Abstand zu anderen Gästen gemütlich im Inneren sitzen. Dort bestellten wir gegen den Durst erst eineml Johannisbeerschorle. Michael wollte lieber eine Bockwurst und ich konnte mich auf Grund der tollen Kuchenauswahl kaum entscheiden. Am Ende wurde es ein leckerer hausgemachter Kirsch-Sahne Kuchen mit Marzipan. Die Leute sind sehr nett dort und wir haben uns wohl gefühlt.
Frisch gestärkt ging es dann wenige hundert Meter weiter bis zum modernen Kassenhäuschen am Freilichmuseum Königspfalz Tilleda. Das Freilichtmuseum selbst liegt 196 m über NN auf der Erhebung namens Pfingstberg am westlichen Ende von Tilleda. Zur Erinnerung: Eine Pfalz (abgeleitet vom latainischen Palatium / Palast) war als eine von vielen ähnlichen Anlagen im Reich ein Regierungssitz auf Zeit für die damaligen "Reisekönige", da kaum ein Ort so groß war, dass er eine dauerhafte Residenz versorgen konnte.
Das Museum ist von März bis November jeden Tag geöffnet, letzter Einlass ist eine Stunde vor Schließung. April bis Oktober ist von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet, im Winter bis 16:00 Uhr. Der Eintritt kostet 4 Euro pro Person und dann kann man das riesige Freigelände erkunden. Im Inneren der Häuser hatten wegen Corona gleichzeitig nur Mitglieder aus einem Haushalt Zutritt, es war aber nicht sehr voll und so mussten wir selten vor der Türe warten.
Ab und zu wird das Pfalzgelände auch von kleinen Gruppen Mittelalter-Darsteller belebt, bei unserem Besuch war aber niemand anwesend. Für Besucher gibt es vielfältige Veranstaltungsangebote, den Höhepunkt bildet das alljährliche Ritterfest im Juli. Unten im Video ist ein Film von einem Treffen mit viel Kanonendonner zu sehen.
Das Gelände auf dem Pfingstberg war schon in ur- und frühgeschichtlicher Zeit verschiedentlich besiedelt, besonders intensiv in der späten Bronzezeit. Die ältesten Zeugnisse einer frühmittelalterlichen Besiedlung reichen bis um 700 zurück. In der Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu wird Tilleda 972 als kaiserlicher Hof bezeichnet und ihr als Witwengut übereignet.
In der Folgezeit tritt die Pfalz bis zum Jahre 1194 immer wieder, wenn auch mit Unterbrechungen, als Ausstellungsort königlicher Urkunden in Erscheinung. Zwischen 974 und 1042 wurden hier Urkunden der Kaiser Otto II., Otto III., Konrad II. und Heinrich III. ausgestellt.
Bei Ausgrabungen festgestellte Brandschichten deuten auf eine Zerstörung der Pfalz im Zusammenhang mit den Sachsenaufständen (1073, 1076, 1115 - 1118) hin. Für 1147 ist ein Aufenthalt Friedrich I. Barbarossa auf der Pfalz belegt. Etwa zu dieser Zeit übernahm die neue Burg Kyffhausen den bisher von der Pfalz gewährleisteten Schutz der Gegend. Somit verlor die Pfalz Tilleda ihre militärische Bedeutung.
Das letzte Mal tritt die Pfalz 1194 in Erscheinung. Hier versöhnte sich Kaiser Heinrich VI. mit Herzog Heinrich dem Löwen und legte damit den langandauernden Streit zwischen Staufern und Welfen bei.
Schon in der zweiten Hälfte des 12. Jh. setzte eine Abwanderung der Pfalzbewohner in den neu entstehenden Ort, das heutige heutige Tilleda, ein. Im 13. Jahrhundert war kaum noch eines der Häuser in der Pfalz bewohnt, am Ende wurde sie dann vollständig aufgegeben.
Vom 14. bis in das 20. Jahrhundert wurde der Pfingstberg landwirtschaftlich genutzt und die dabei störenden Ruinen wurden im Lauf der Zeit abgetragen. Übrig blieben nur noch geringe Andeutungen der Wälle und Gräben sowie zwei kleine Mauerreste.
Zwischen 1935 und 1939 wurden erste archäologische Ausgrabungen auf dem Gelände der Pfalz durchgeführt und bis 1979 fast vollständig ausgegraben. Insgesamt wurden die Fundamente von 180 Häusern freigelegt. Darunter befanden sich Wachhäuser, Wohnhäuser mit Backöfen ohne Schornstein, zwei Häuser mit Fußbodenheizung und zahlreiche Wirtschaftsbauten.
2001 gestaltete die Gemeinde Tilleda die Pfalzfläche zu einem Freilichtmuseum.
Ein Rundgang duurch die einzige vollständig ausgegrabene Pfalz in Deutschland ist sehr interessant. Mit viel Liebe wurden hier Dekorationen angebracht, Häuser ausgestaltet und informative Schilder stehen überall an den Gebäuden. Hier wurden am Originalstandort Teile der Repräsentationsgebäude, Wehranlagen, Wohnhäuser, Werkstätten und technische Einrichtungen komplett rekonstruiert. Kleine Präsentationen in verschiedenen Ausstellungsräumen zu verschiedenen Themenkomplexen (Kaiser und Könige, Wirtschaftliche Grundlagen der Pfalz, Bautechnik, Wehrtechnik, Alltagsleben, Kaiseraufenthalt und Baugeschichte) runden das Bild ab.
Das Areal der Pfalz ist mit einer Ost-West-Ausdehnung von 290 m und einer Nord-Süd-Ausdehnung von 165 m etwa 6 Hektar groß. Die Anlage unterteilt sich in die Hauptburg, dem Verteidigungsbereich mit Gräben und Wällen und dem grössten Teil, der Vorburg. Günstige Verteidigungsmöglichkeiten boten Steilhänge an Nord- und Ostseite sowie eine südliche Hanglage. Im Westen bildete eine ca. 5 m hohe und 2,5 m starke Wehrmauer den Abschluss.
In der Nordwestecke der Wehrmauer befand sich ein so genanntes Fangtor als Hauptzugang zur Pfalz. Die 30 m langen, zum Anlageninneren führenden Mauerschenkel der Toranlage hatten am Toranfang eine Öffnungsweite von 4,7 m, die sich bis zum stabilen Holztor mit darüber liegendem hölzernen Turm auf 2,4 m einengte.
Außerdem ist eine Sonderausstellung zu sehen, die sich mit der Siedlungsgeschichte, Bedeutung und Kultur der Slawen in der Großregion um die Pfalz Tilleda beschäftigt. Im Südwestabschnitt der Wehrmauer befand sich eine durch ein Wachhaus gesicherte kleine Pforte, durch die klares Kyffhäuserquellwasser aus der nahe gelegenen Wollweda herbei geschafft werden musste. Denn innerhalb der Pfalz gab es, wie auf vielen mittelalterlichen Burgen, keinen eigenen Brunnen.
In der Vorburg befanden sich die Wohn- und Arbeitsgebäude der Handwerker, hier wohnten die Wachleute und Arbeiter mit ihren Familien. Diese Gebäude waren zum großen Teil Grubenhäuser, die ihren Bewohnern eine gute Isolierung gegen Kälte und Wärme boten. Die Nachbauten bieten einen guten Einblick, wie damals hier gelebt wurde.
Die Pfalz war stets in der Lage sich auch bei Anwesenheit des Herrschers selbst zu versorgen. Dazu gab es hier neben dem landwirtschaftlichen Betrieb auch zwei große Tuchmachereien, in denen auch über den Bedarf der Pfalz hinaus Gewebe hergestellt wurde. Daneben wurde eine Töpferei betrieben und Gegenstände aus Elfenbein produziert. Das hier verhüttete Eisen wurde zu Waffen, Werkzeug und Hausgeräten weiter verarbeitet.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz besuchten wir noch eine nett blökende Ziegenherde mit samtigen Schlappohren, dann fuhren wir zum nächsten Übernachtungsort Schloss Wallhausen.
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