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Zwei Nächte verbrachten wir im Hotel Deutsche Mühle in Bolnisi, einer Stadt in Kwemo Kartli und Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsbezirkes. Von hier aus kann man viele Ausflüge in die Umgebung machen. Zu alten Forts wie Samshvilde und Khuluti, zur Ausgrabnungsstätte Dmanisi, zur ältesten Kirche Sioni oder zu Klöstern wie Zughrughascheni und Pitareti. Alles haben wir leider nicht geschafft, obwohl wir mit eigenem Auto ja sehr flexibel waren. Ein Tag ist eben nicht genug, um alles zu sehen.
Die Geschichte von Bolnisi ist die Geschichte von schwäbischen Auswanderern, die ab dem Frühjahr 1817 ihre Heimat verließen, um im Kaukasus neue Siedlungen zu gründen. Auf Einladung des russischen Zaren suchten 500 Familien Zuflucht vor Hungersnot und religiöser Verfolgung. Die ersten Siedler waren streng religiöse Pietisten, eine Glaubensgemeinschaft innerhalb der evangelischen Kirche. Sie traten aus der Landeskirche aus, die nach ihrer Meinung zu viele Reformen durchführte und den Militärdienst lehnten sie ebenfalls ab. Als das Gerücht die Runde machte, Christus würde in Palästina wiederkehren und das Weltende sei nahe, sahen einige ihre Rettung in Palästina. Doch das "Heilige Land" war wegen der osmanischen Herrschaft nicht zugänglich, so bot sich der Kaukasus als Ort des Wartens an, um dem wiederkommenden Christus möglichst nahe zu sein.
Eine der Siedlungen entstand unter dem Namen Katharinenfeld im Jahr 1818, der Name sollte die württembergische Königin Katharina, die Schwester von Zar Alexander I., ehren.
Nach schweren Anfangsjahren mit Epidemien, Überfällen von muslimischen Freischärlern und großen wirtschaftlichen Problemen ging es aufwärts. Eine zweite Einwanderungswelle erreichte Georgien Anfang des 19. Jahrhunderts.
Katharinenfeld entwickelte sich zu einem blühenden Gemeinwesen. Man sprach Deutsch und lebte viele Jahrzehnte nach den deutschen Traditionen weiter. Integration fand so gut wie nicht statt. Es gab hier fünf Fußballmannschaften, eine Grundschule, eine lutherische Kirche mit Chor, einen Stadtpark, eine deutsche Zeitung und allerlei kulturelle Vereine und Veranstaltungen.
Nach der Besetzung Georgiens durch die Rote Armee 1921 wurde die Stadt von den neuen Machthabern nach der sozialistischen Freiheitskämpferin Rosa Luxemburg in Luxemburg umbenannt. Die Kolonisten verloren ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit und ihre kirchliche Souveränität. Die Folgen der Enteignung und Verfolgung führten 1932/33 zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Kolonien zu einer schweren Hungersnot.
Im Jahr 1941, kurz nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, ließ Stalin alle Deutschen, die nicht mit Georgiern verheiratet waren, nach Sibiren und Kasachstan deportieren. Sie sollten als billige Arbeitskräfte die Industrialisierung der Sowjetunion vorantreiben.
Zu diesem Zeitpunkt lebten allein im Dorf Katharinenfeld 6.500 Einwohner, fast 6.000 Menschen mussten die Stadt verlassen. Daher wohnen heute nur noch wenige deutschstämmige Bewohner in der Stadt, die seit 1944 Bolnisi heißt.
Hier sind noch eine sehr interessante Seiten zum Thema Kaukasusdeutsche in Georgien mit vielen Interviews und eine private Seite über Katharinenfeld.
85 Prozent der heutigen Einwohner hier sind Georgier, ein überwiegend von ethnischen Aserbaidschanern bewohnter Stadtteil liegt etwas außerhalb und heißt "Kvemo Bolnissi" - Unter-Bolnisi.
Die Stadt liegt entlang der Fernverkehrsstraße Marneuli-Guguti und fast alle wichtigen Gebäude und Geschäfte befinden sich hier an dieser Straße. In der modernen Apotheke entdeckte Michael sein ehemaliges Lieblingsdeo als Roller, dass es in Deutschland so nicht mehr gibt. Kurzerhand kaufte er den aktuellen Regalbestand auf. Bolnisi selbst bietet sonst nicht sehr viel für den Touristen, die spärlichen Reste des alten Katharinenfeld wirken heute ziemlich verfallen.
Aber es wird aber hier und da ein bisschen renoviert. Das Erbe der deutschen Gründer wird in einem kleinen Museum gepflegt, es gibt wieder eine evangelisch-lutherische Gemeinde und einen Gedenkstein. Beim Spaziergang durch den "Old German District" lassen sich die typischen architektonischen Merkmale der alten Siedlung gut erkennen, obwohl manche Fachwerkfassaden hinter Beton verschwanden und einige Ziegeldächer mittlerweile durch Wellblech ersetzt wurden.
Direkt um die Ecke vom Hotel liegt eine der schönsten Straßen mit alten Häusern, die ehemalige Mühlengraben Gasse. Man erkennt die alte Baussubstanz am gleichartigen Stil der Häuser, an der Statik und der Struktur der Fassaden. Hier floß sichtbar viel Geld in eine 2017 neu gepflasterte Straße, moderne Laternen und Schilder aus Plexiglas sind an den Häusern befestigt. Darauf die Namen und die Geschichte ihrer ehemaligen deutschen Bewohner. Die Häuser selbst sind in einem solchen bedauernswerten Zustand, dass sie bei einer unsachgemäßen Behandlung schnell auseinanderfallen könnten.
Aber seit sich sich Georgien an die EU annähern möchte, wird es immer wichtiger an das europäische Erbe zu denken. Dazu gehören natürlich auch die deutschen Siedler. Man muss bei einer Restaurierung der alten Häuser sehr behutsam vorgehen, die Balken aus Eiche zum Beispiel lassen sich nicht so einfach und schnell ersetzen. Es besteht die Gefahr, dass hier nur eine schöne Fassade entsteht, eine Kulisse wie sie schon an anderen Orten in Georgien und überall auf der Welt zu sehen ist. Die Authentizität kann dann schnell verloren gehen.
Es gibt einen Verein zur Bewahrung deutschen Kulturguts im Südkaukasus in Tbilisi. 2017 wurde der 200. Jahrestag deutscher Auswanderung in den Kaukasus gefeiert.
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